TEIL I Kapitel 3
Wie versteinert blickte Nat auf das hektische Treiben der Feuerwehrleute.
Ihre Anspannung war Leere gewichen. Vollständige, bleierne Leere.
Sie konnte nichts mehr für Nick tun, absolut garnichts. Wenn der
Vampir-Cop tatsächlich bereits die Nachtschicht in den Büroräumen
des Polizeihauptquartiers angetreten hatte, würden ihm auch seine
übernatürlichen Fähigkeiten nichts mehr genützt haben,
im Gegenteil : Wenn schon der kleinste Sonnenstrahl bewirkte, daß
seine Haut verbrannte, mußte ein Feuer von diesem Ausmaß zweifellos
dazu geführt haben, daß er sich buchstäblich in Rauch
auflöste.
Nat meinte noch heute die Erregung zu spüren, sobald sie an jenen
Abend ihres 28. Geburtstages dachte, als das vermeintliche Explosionsopfer
in ihrem Leichenschauhaus plötzlich wieder zum Leben erwachte. Jenen
Tag, der sein Schicksal untrennbar mit dem Ihren verbinden sollte. Aber dieses Mal , so befürchtete sie, würde es keine Rettung mehr für ihn geben.
"Sind sie ganz sicher, liebe Frau Doktor, daß
Nicholas sich zum Zeitpunkt der Explosion in dem Gebäude aufhielt?" Ein leichter, kalter Lufthauch streifte Natalie's erhitzte Haut. Wie
aus dem Nichts war Janette neben sie getreten. Die katzenartigen Augen
der Vampirlady blickten beschwörend und böse. "Sein Auto, dort steht sein Auto!"
" Natalie, sehen sie mich an!" Kalte, kräftige Hände packten die Unglückliche unsanft bei den Schultern und schüttelten sie heftig. Vor ihr stand LaCroix. Auch er hatte das Durcheinander auf der Straße dazu benützt, unbemerkt von der Menge, aufzutauchen. Es kostete ihn sichtlich Mühe sich unter Kontrolle zu halten. Seine starren, durchdringenden Augen funkelten unheimlich und bekamen bereits einen verräterischen , rötlichen Schimmer. "Sagen sie uns, ob sie etwas von Nicholas Verbleib wissen!" So fordernd, so eindringlich klang seine Stimme, daß die Ärztin die Worte bis unter die Haut zu spüren glaubte. Doch verwirrt und benommen starrte Nat ihn nur an. "Machen sie den Weg frei, für die Rettungskräfte!" Sie wurden zur Seite gedrängt. Die Rufe und Befehle der eingetroffenen Ärzte und Sanitäter mischten sich mit dem Heulen der Sirenen. Wie in Trance stammelte Nat : "Er ist tot..., alle..., sie sind alle tot!"
Zornig ob ihrer Tatenlosigkeit, zu der Janette gezwungen war, wollte
sie die menschliche Kollegin ihres Vampirfreundes erneut bestürmen,
aber LaCroix hielt sie zurück. "Es hat keinen Sinn, sie sagt die Wahrheit, wenn Nicholas tatsächlich dort war, ist er für uns verloren." Mit einem Satz erhob er sich in die Lüfte und so unauffällig wie sie gekommen waren, verschwanden die Nachtgeschöpfe wieder in Richtung Raven.
TEIL I Kapitel 4
Der sonst so stolze Vampirmeister lehnte mit gebeugtem Haupt gegen das Fensterbrett in Janettes Privatgemach. " Das, was mich am meisten beunruhigt ist, daß
ich ihn nicht mehr fühlen kann. Es muß ein ernsthafter Grund
sein, der Leise, kaum verständlich kamen die Worte über die Lippen des alten Vampirs. "Dann hast Du ihn also auch gespürt, diesen immensen Schmerz, der mich dorthin führte ?"
"Ein Vater spürt, wenn sein Sohn leidet !" Wie aus weiter Ferne ertönte die Antwort."Nun
stirbt dieses kalte Herz ein weiteres mal" "Vielleicht konnte er auch dieses Mal entkommen"
Seine Faust schnellte gegen seine Brust. Mit einem Ruck wandte er sich Janette zu. Sie konnte sehen, wie sein Körper bebte, seine Augen sich färbten, seine langen Eckzähne hervortraten und er mit der ganzen Macht seiner unermeßlichen Kräfte die Wut zu bezwingen suchte, die sich seiner bemächtigte.
TEIL I Kapitel 5
Captain Graham versuchte trotz ihrer Erschütterung Haltung zu bewahren.
Sie weigerte sich, den Unglücksort zu verlasen und versuchte die
traurige Pflicht zu erfüllen, die Identität der Männer
und Frauen zu klären, die einmal ihrer Abteilung angehört hatten.
Auch Natalie bestand darauf in das Obduktionsteam mit aufgenommen zu werden.
Doch statt dessen konfrontierte die grausame Realität sie mit der
Tatsache, daß Thorben Kant eine der ersten verkohlten Leichen war,
die sie zu untersuchen hatte. Trotz ihrer langjährigen Routine als
Pathologin, war sein Anblick mehr als sie in diesem Augenblick verkraften
konnte. " Es wurden 9 Tote geborgen , aber meine Abteilung
bestand aus 10 Mitarbeitern, haben sie dafür irgendeine Ihre ganze ohnmächtige Verzweiflung entlud sich in
diesem Vorwurf. Graham zielte also darauf Detektive Knight mit diesem
Anschlag in Verbindung zu bringen. " Ich bitte Sie, mich für heute nach Hause gehen zu lassen" bat sie statt dessen und machte sich auf den Weg zu ihrem Appartement.
Zu gerne hätte sie ihre Verzweiflung heraus geschrien, aber statt dessen erschien sie äußerlich völlig ruhig. Sie wunderte sich, daß sie überhaupt nichts fühlte, nicht einmal Schmerz. Der Anblick von all diesen Toten, die einmal ihre Freunde gewesen waren, besonders aber der Verlust ihrer großen Liebe, hatten etwas in ihr mitsterben lassen. Alles um sie herum erschien ihr plötzlich total ohne Wert. Die Welt hatte ihre Farbe verloren. Vollständig angezogen legte sie sich auf ihr Bett, aber sie schloß nicht die Augen. Sie fürchtete sich vor den Bildern, die ihr geistiges Auge ihr präsentieren würde.
Als Natalie am nächsten Abend die gerichtsmedizinische Abteilung
betrat, reichte sie als erstes im Personalbüro ihre Kündigung
ein. Sie hatte noch in der selben Nacht den Entschluß gefaßt
fortzuziehen und ihr Leben neu zu ordnen. Sie wußte, daß es
ihr hier an diesem Ort, mit all seinen Erinnerungen an gemeinsam verbrachte
Stunden, nie gelingen würde, Nick zu vergessen. Der Abschied fiel
ihr ohnehin nicht sonderlich schwer, denn sie würde niemanden mehr
vermissen.
Teil I Kapitel 6
Captain Graham und zwei Inspektoren der Abteilung für Innere Angelegenheiten erwarteten Natalie Lambert bereits in ihrem Labor. Unpersönlich und steif teilten sie ihr schonungslos mit, welche Verdachtsmomente sich gegen Nick Knight hinsichtlich des Brandanschlages vom vergangenen Abend ergeben hatten: "Unser Mißtrauen rechtfertigt sich im Wesentlichen
dadurch, Pausenlos und ohne Erbarmen redeten die Hüter der Internen Sicherheit auf die gequälte Seele ein. Die Worte prasselten wie Trommelfeuer auf die überstrapazierten Nerven der Doktorin. Nat's Kopf dröhnte vor Abwehr gegen dieses Bombardement von ungerechtfertigten Anschuldigungen. Aber sie schwieg beharrlich zu all diesen Vorwürfen, trotz der Empörung, die sich mehr und mehr in ihr steigerte. Wortlos und ungläubig starrte sie nur vor sich hin und schottete sich zum eigenen Schutz total nach Außen hin ab. Sie weigerte sich vehement dagegen, neuerliche Schmerzen an sich heran zu lassen. Ihre Gedanken drifteten ab. Sie dachte an Nick und die Ereignisse der vergangenen Zeit.Gewiß, in den letzten 3 Monaten gab es Probleme mehr als genug, aber niemals würde er so etwas tun! Dazu kannte sie ihn einfach zu gut! <Doch war das, was sie sehen wollte, auch identisch mit dem, was er war ?> Leise Zweifel krochen heiß und unheilvoll in ihr empor. Schon all
zu oft hatte er ihr seine früheren Greueltaten gestanden, die sein
Gewissen bis heute belasteten. Doch immer verschloß sie barmherzig
die Augen davor. Was für sie zählte war nur, daß er diese
bereute. <Aber was, wenn seine Natur ihn wieder besiegte ? " ....und möchten sie in aller Form darauf
aufmerksam machen, daß Natalie erschrak, als die Rede der Beamten direkt auf sie
zielte. Es holte sie aus weiter Ferne in die Realität zurück.
Benommen nickte sie nur andeutungsweise und mühte sich tapfer die Tränen der Enttäuschung hinunterzuschlucken. Dies war kein Abschied wie sie ihn sich vorgestellt hatte.
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