TEIL II Kapitel 9
Am nächsten Abend erschien Adriana etwas verspätet zum Dienst, was Natalie verwunderte, da sie sich bisher als ausgesprochen zuverlässig erwiesen hatte. Ihre bis zum Bersten mit Akten gefüllte Mappe jedoch erinnerte die Doktorin sofort daran, daß die Kollegin lediglich ihr Versprechen eingelöst hatte, sich Thorbens Berichten zu widmen und diese im Hauptquartier abgeholt hatte.
"Ist sie das Opfer von gestern Abend ?"
interessiert trat sie näher. An Natalies Ausdruck konnte sie erkennen, daß es kein angenehmer Anblick sein würde. Ihr ehemals makellos schöner, fast noch kindlicher Körper war von mehreren tiefen Schnitten überzogen, die sich über den Brüsten kreuzten und den Leichnam schrecklich entstellten.
"Wer immer ihr das angetan hat, er wollte ihre Schönheit zerstören."
"Der erste Stich ins Herz war bereits tödlich , oder ?"
Adriana warf einen kurzen, fachkundigen Blick darauf.
"Sieht
schwer nach Eifersucht aus, zumindest Haß. Es könnte also auch
eine Frau gewesen sein ! Übrigens....
Du hast starke Konkurrenz"
"Was meinst Du ?"
Nat konnte den Gedankensprüngen der Assistentin nicht folgen.
"Ich habe gerade Janette gesehen! Sie war auf dem Revier wegen dem
Mord in ihrem Lokal. Es sah nicht so aus, als würden sie und Nick sich
nur flüchtig kennen."
"Sie hat die älteren Rechte" Nat wollte das Thema nicht vertiefen.
" Du willst Dich kampflos geschlagen geben ?"
"Es
ist schon OK so. "
" Und warum leidest Du dann so darunter. Oder willst Du mir weismachen,
daß es Dir gut geht. "
Adriana ließ nicht locker.
"Ich
bin lediglich überarbeitet und habe ein wenig gesundheitliche Probleme.
Eine unangenehme Unterleibsgeschichte."
" Schon beim Arzt gewesen?"
Die junge Frau wurde plötzlich hellhörig.
"Ich
kenne eine Kapazität auf diesem Gebiet. Ein Schüler meines Vaters.
Ich kann Dich bei ihm anmelden."
"Ich fürchte ich muß Dein Angebot tatsächlich annehmen,
ich habe eine Untersuchung schon zu lange hinausgezögert.
Deine Empfehlung würde mir mehr Vertrauen geben."
"Das mache ich persönlich, und zwar sofort, schreib es auf die
Überstunden von gestern, ich bin schon unterwegs !"
"Aber das hat doch Zeit..."
Der Protest blieb ungehört, der Saal war leer. Welch ungewöhnlicher Übereifer . Natalie seufzte. Nun hatte sie keine Chance mehr, sich vor einem Arztbesuch zu drücken.
Im Kepa Forschungs- und Medicalcenter wartete Dr Hollert, der Leiter der
Gynäkologie auf seine Besucherin, die ihm von der Empfangsdame an der
Pforte als >Tochter vom Chef< angekündigt worden war, obwohl
er selbst diesen Posten schon seit einigen Jahren inne hatte. Trotz seiner
Nervosität versuchte er ein unbefangenes Lächeln aufzusetzen als
er seinem überraschenden Gast freundschaftlich entgegeneilte:
"Ada, kann ich Dir helfen ?"
" Exakt deshalb bin ich gekommen. Ich möchte den Gefallen einfordern, den Du mir noch schuldest."
Direkt
und ohne Umschweife, wie es ihre Art war, kam Adriana zum Punkt ihres Anliegens.
Als sie geendet hatte war die Miene des Professors ernst und besorgt.
"Das kann ich nicht tun, Du weißt, das verstößt gegen jede Regel der ärztlichen Ethik!"
" Sich die Approbation zu erschwindeln ebenfalls. Außerdem ist es nur verwerflich Leben zu vernichten, und das verlange ich ja nicht von Dir."
"Ich habe keine Wahl, oder ?"
Ihre Antwort war lediglich ein Stirnrunzeln. Sie war nicht gewillt sich auf Diskussionen einzulassen. Diese Angelegenheit war ihr wichtiger als alles andere auf der Welt ihr je gewesen war. Sie wollte ihren Willen durchsetzen und sie wußte, sie hatte ihn in der Hand. Er nickte resigniert auf ihren forschenden Blick hin. Zufrieden wandte sie sich zum Gehen.
"Gut, dann wäre ja alles geklärt!"
Sie konnte getrost zur Tagesordnung übergehen. Auf solche Freunde war verlaß!
Wieder in der Forensik legte sie Natalie einen Notizblockzettel auf den Schreibtisch. Er enthielt den Namen des Arztes und das Datum des Konsultationsgespräches, das sie für ihre Chefin arrangiert hatte.
Es war schon früher Nachmittag, nachdem Natalie von ihrer Vorsorgeuntersuchung bei Dr. Hollert zurückkam. Die zahlreichen Untersuchungen und die nervliche Anspannung hatten sie ermüdet. Sie fühlte sich ausgelaugt und sie war niedergeschlagen. Die Gründlichkeit des Gynäkologen war vertrauenerweckend aber besorgniserregend zugleich gewesen und seine vorsichtige vorläufige Diagnose ließ sie als Ärztin erahnen, daß ihre Befürchtungen berechtigt waren. Ihre Stimmung war gedrückt, aber die Dringlichkeit der Situation veranlaßte sie, Ordnung in ihrer Gefühlswelt zu schaffen. Sie wollte keine Rechnungen mehr offen haben.
Sie wählte Nicks Telephonnummer, doch nur der Anrufbeantworter meldete sich. Obwohl sie bei hellem Tageslicht damit hatte rechnen müssen, daß Nick schlief, war sie bitter enttäuscht darüber. Die verdrängten Sorgen um ihre Gesundheit suchten sich ein Ventil um sich zu entladen. Sie war nicht fähig sich selbst vor dem psychischen Loch zu bewahren , in das sie durch ihre gesundheitlichen Probleme zu fallen drohte. Sie hinterließ Nick lediglich eine knappe Nachricht, wo und wann sie ihn zu sprechen wünschte, aber die Konsequenzen dieser Unterredung waren in ihrem betrübten Herzen bereits festgelegt.
Nat
saß in der Abenddämmerung auf einem der riesigen Felsbrocken,
die das Hafengelände vor der Brandung schützen. Ihr Blick
heftete sich an ein fiktives Ziel irgendwo am Schnittpunkt zwischen
Horizont und Wasser. Sie sah nicht auf, als sie Nick's leise Schritte
hörte. Er klopfte symbolisch an die Kaimauer:
"Darf ich eintreten?"
"Das Gelände ist öffentlich"
Sie wendete den Kopf in seine Richtung.
"Ich dachte ich käme vielleicht ungelegen, Du hast nicht auf mich
gewartet, wir hätten den
Weg gemeinsam gehen können."
Nat kämpfte um Worte, es war nicht einfach, den richtigen Anfang zu
finden. Nick war sich sicher, dass seine Einflussnahme nun Wirkung zeigte
und sie ihn bitten würde sich mehr um sie zu kümmern. Er fühlte
ihr Unbehagen und versuchte mit einem Scherz die angespannte Lage aufzulockern.
"Wie soll ich Deine Hand nehmen, wenn Du mir keine Gelegenheit dazu gibst?"
Aber Nat brauste entrüstet auf:
"Gerade
das wollte ich vermeiden, ich wußte, daß Du mich darauf ansprechen
würdest.
Ich habe gestern einen Fehler begangen und zugelassen, dass Du weißt,
was in mir vorgeht.
Ich habe mein Wort gebrochen, das ich Dir am Tag unseres Zusammentreffens
gegeben habe,
dass ich keine Gefühle von Dir erwarte oder
fordere. Und ich möchte Dir beweisen, oder mir beweisen, daß
ich auch keinen Wert darauf lege."
"Nat
das ist doch alles Unsinn! Was ist los mit Dir? Ich mache Dir doch gerne
eine Freude, wenn Dir so viel
an einer "sichtbaren" Zuneigung liegt, so wie Du mir gerne mit
Deiner Forschung behilflich bist."
"Das ist das falsche Stichwort, Du bringst mich aus dem Konzept!"
"Hast Du Deinen Monolog auswendig gelernt?"
"Ich
dachte nicht, daß Du mich auf meine Arbeit für Deine Kur ansprechen
würdest.
Es hat nichts damit zu tun.Meine
Freundschaft bereitet Dir Komfort und Bequemlichkeit,
und in Hinblick auf unsere Forschung wirst Du auch in Zukunft nichts davon
vermissen müssen!"
"Und warum sollte ich Dir dann nicht auch einen Gefallen tun, wenn Dir soviel daran liegt?"
"Einen
GEFALLEN? ", sie schnaubte verächtlich,
"Du begreifst garnichts nicht wahr ? Es bedeutet mir nur dann etwas,
wenn es spontan kommt, nicht, weil
Du es mußt"
"Es war unbedacht und nicht so gemeint, wie es geklungen hat."
Nick versuchte näher an seine aufgebrachte Freundin heranzukommen, aber ihre Position auf der Felskante ließ es nicht zu.
"Nick..
.Ich ertrage es nicht länger alleine zu sein !
Ich wünsche mir Tag und Nacht für jemanden da zu sein. "
Es
klang kläglich aber bestimmt.
Diese Wendung des Gespräches kam unerwartet. Sie meinte zweifellos nicht ihn sondern Kant damit! Panik ergriff ihn bei diesem Geständnis. Das war es nicht, was er zu hören wünschte. Seine Einflußnahme auf ihre Gefühle, hatten allem Anschein nach als Reaktion gerade das Gegenteil davon erbracht, was er erreichen wollte!
" Du weißt doch, wie sehr ich Dich brauche Nat"
"Aber ich möchte es >spüren<, daß ich gebraucht werde, nicht nur >wissen< "
leise, fast entschuldigend kamen die Worte über ihre Lippen, die seine Welt in Stücke schlugen. Nicks Kopf senkte sich:
"Ich habe viel zu lange viel zu viel von Dir verlangt, ohne es Dir zu lohnen. Aber Du weißt ich kann nicht !"
Er drehte ihr den Rücken zu. Diese Strafe erschien ihm als gerecht. Er hatte es mit Tücke versucht, wo eigene Initiative verlangt gewesen wäre.
Natalie
hörte ihr eigenes Herz bis zum Hals schlagen. Wenn er doch nur einmal
seine Selbstbeherrschung verlieren würde, wenn doch nur einmal sein
Wunsch sie zu umarmen über seine Bedenken hinsichtlich des Risikos,
das sie dabei eingingen, siegen würden! Aber sie war wohl keine Frau,
die einen Mann wie Nick außer Kontrolle brachte!
Sie sah nicht seine Pein, merkte nicht wie er sich mühte, die
Verwandlung die sie sich wünschte zurückzukämpfen.
Sie war so sehr in ihren Selbstzweifeln gefangen, daß sie nicht
bedachte, welche Gefahr das, was sie erwirken wollte für ihr eigenes
Leben bedeutete.
Stattdessen stand sie auf und legte eine Hand auf seinen Rücken:
"
Ich denke es ist für uns beide besser so". Noch einmal hoffte
sie kurz auf eine
Regung, einen Widerspruch.
Sein
kaum wahrnehmbares Nicken stieß den Pfahl, den sie selbst an ihr Herz
gehalten hatte vollends hinein. Sie konnte es kaum fassen ! Sie hatte ihre
Beziehung beendet und er hatte es einfach zugelassen!
Die folgenden Nächte liefen in routinemäßiger Gleichmäßigkeit
ab. Die Detectives bemühten sich Licht in ihre unaufgeklärten
Fälle zu bekommen, aber weder gelang es ihnen, den Vater des Kindes
von ihrem vermeintlichen Selbstmordopfer zu ermitteln, noch führten
die Spuren des Ravenmordes in irgend eine Richtung, die ihnen weiterhelfen
konnte. Das zwischenmenschliche Klima der beiden Partner war für alle
Kollegen ersichtlich weit unter den Nullpunkt gesunken und es trug nicht
gerade zum Erfolg ihrer Nachforschungen bei, daß praktisch kein Dialog
zwischen ihnen mehr stattfand.
Die
Zusammenarbeit mit Adriana dagegen bereitete Natalie Freude. Sie hatte sich
daran gewöhnt, daß sie gewissermaßen von einer geheimnisvollen
Aura umgeben war, die niemand zu durchblicken vermochte, aber ihr Mißtrauen
war täglich mehr gewichen, als sich herausstellte, daß man sich
hundertprozentig auf sie verlassen konnte. Nat begriff zwar nicht immer
genau, mit was sie sich gerade beschäftigte, aber sie erledigte ihre
Aufgaben gewissenhaft und präzise und fand zudem noch Zeit Thorbens
Berichte zu bearbeiten.
Der junge Detective nutzte jede Gelegenheit die sich ihm bot um der Forensik
einen Besuch abzustatten und Nat zweifelte daran, daß das Verfassen
der Dienstberichte tatsächlich solch viele Probleme aufwarf, daß
es eine derart häufige Rücksprache erforderte. Im Grunde genommen
amüsierte Dr. Lambert sich über die verzweifelten Bemühungen
des Kollegen, den Anschein der Dienstlichkeit aufrecht zu erhalten. Ihre
Beziehung zueinander vertiefte sich zusehens, wobei dem Detective die Qual
der Wahl wem von den beiden attraktiven Damen er seine Gunst mehr widmen
sollte täglich schwerer wurde.
Der kollegialen Zusammenarbeit tat es jedenfalls keinen Abbruch, da Adriana
sich von Anfang an nicht darüber hinweg hatte täuschen lassen,
wem die eigentliche Zuneigung ihrer Vorgesetzten galt. Und Natalie fühlte
sich eher erleichtert. Sie empfand weder Ärger noch Eifersucht über
den Zwiespalt ihres jugendlichen Verehrers, es ersparte ihr unangenehme
klärende Worte über ihre eigenen Gefühle, zu denen sie momentan
keinesfalls die Kraft aufbringen konnte.
Natalie hatte Angst. Ihre Gedanken kreisten ununterbrochen darum, welche
Ergebnisse die Auswertung der Mammographie erbringen würde. Unabhängig
davon jedoch wußte sie bereits jetzt, daß ihr auf jeden Fall
eine Operation bevorstand, die nur in einer Klinik durchgeführt werden
konnte, daran hatte Dr. Hollert keinen Zweifel gelassen, obwohl Nat ein
ambulanter Eingriff für ausreichend erschien.
Das Arbeitsklima hätte so angenehm sein können, wenn Nick sich
nicht so völlig von ihnen allen zurückgezogen hätte. Seit
ihrer Unterredung an jenem Abend, stand sein Vorurteil ihrer Beziehung Kant
gegenüber fest und die spitzen Bemerkungen seines Mentors, LaCroix,
der es sich nicht hatte nehmen lassen darauf hinzuweisen, wie gut doch >Menschenkinder<
zueinander paßten, hatte sein übriges dazu beigetragen, den Kampf
für verloren zu erklären. Seiner Meinung nach hatte Natalie den
Bruch mit ihm nur deshalb herbeigeführt, weil Thorben seinen Platz
eingenommen hatte. Er führte die andauernden Aufenthalte Kants im Leichenschauhaus
einzig und allein auf dessen Vernarrtheit in Natalie zurück und weigerte
sich deren trauter Zweisamkeit auch noch beizuwohnen. Er besuchte die Gerichtsmedizin
praktisch kaum noch, es kamen keine Anrufe mehr und zu Nat's größtem
Kummer vermeldete sein Anrufbeantworter jedesmal, daß sein Aufenthalt
bei dringenden Fällen im Raven erfragt werden könne. Warum verweigerte
er sich ihr nun total. Es war ihr unerträglich ihn nicht wenigstens
ab und zu zu sehen. Sie hatte ja niemals einen völligen Bruch ihrer
Freundschaft beabsichtigt gehabt. Ihre wissenschaftlichen Studien und ihre
Hilfe ihn bei seiner Heilung zu unterstützen hatte sie ihm doch weiterhin
zugesagt.
Sie war sich selbst nicht so recht im Klaren darüber, ob sie ihn nicht
im Grunde ihres Herzens in Wirklichkeit zu einer Entscheidung hatte zwingen
wollen.- Eine Entscheidung, die nun zu ihrem Kummer nicht in der Weise ausgefallen
war, wie sie es sich erträumt hatte.
Natalie war froh, daß sie wenigstens für die Zeit ihrer Abwesenheit
ihre Arbeitsstätte in guten Händen wußte. In Adriana hatte
sie eine treue Freundin gefunden, der sie vertraute und selbst Kant würde
sie selbstverständlich im Krankenhaus besuchen kommen, das war weit
mehr als sie nach all den Jahren der selbstauferlegten Isolation erwarten
konnte.
Vielleicht würde Nick es garnicht erfahren, dass sie ins Hospital mußte.
Und es war bestimmt besser so, redete sie sich ein. Es war ja gar keine
so große Geschichte, ein kleiner Eingriff nur, aber sie wußte,
wie sehr Nick in seiner Art Überfürsorglich zu reagieren sie nur
noch mehr verunsichern würde.-- Vorausgesetzt, daß er sich überhaupt
noch für ihre Angelegenheiten interessierte ! Wie immer in den letzten
Tagen kämpfte sie mit den Tränen.
Adriana merkte, daß Natalie litt, aber so sehr sie auch versuchte, sie davon zu überzeugen, daß es besser wäre, den sturen Detektive persönlich aufzusuchen, um sich mit ihm wieder zu versöhnen, so hartnäckig weigerte sich Dr. Lambert ihren Stolz zu überwinden. Sie selbst wollte nicht zwischen den beiden vermitteln. Seit dem ersten unglückseligen Kennenlernen hatte sich ihre Beziehung nicht gerade vertieft, beide vermieden es so gut es ging sich über den Weg zu laufen und Adriana's Meinung über den übersensiblen Kollegen war mehr als negativ.
Es gefiel ihr auch nicht, daß Natalie Nick nichts von ihrem gynäkologischen
Eingriff gesagt hatte, den Dr. Hollert bei seiner Untersuchung als unausweichlich
diagnostiziert und äußerst dringlich eingestuft hatte und der
ihr in der folgenden Woche bevorstand. Selbst wenn ihre Freundschaft tatsächlich
so lose war, wie die Gerichtsmedizinerin ihrer Assistentin vorzumachen versuchte,
trug doch die belastende Situation dazu bei, die ohnehin angespannten Nerven
der Pathologin noch zusätzlich zu strapazieren, was sicherlich für
eine Narkose nicht günstig war.
Adriana machte sich Sorgen und sie wußte nur zu gut, daß es
ihr schlechtes Gewissen war, das sich regte.
Das Telephon schrillte.
"Dr.
Hollert hier. Miss. Lambert, die Untersuchungsergebnisse liegen jetzt vor,
ich möchte
Sie bitten morgen in
meine Praxis zu kommen ! Und sagen sie Ada ich muß sie dringend sprechen."
Nat überreichte Adriana den Hörer. Sie konnte nicht verstehen, um was es sich handelte, aber die Miene der Assistentin verfinsterte sich.
"Wir werden den Besuch im Krankenhaus gemeinsam machen !"
man sah dem jungen Mädchen an, daß sie aufgebracht war.
"Gibt es Probleme ?" Natalie sorgte sich.
"Nichts, was sich nicht lösen ließe!" antwortete Adriana bestimmt.
Der Arzt saß auf der Ecke seines Schreibtisches und beugte sich zu Adriana hinunter.
"Die
Situation hat sich geändert. Die Auswertung der Mammographie hat ergeben,
daß es sich nicht nur um
ein harmloses Myom handelt, ich werde die Eierstöcke entfernen müssen."
"Du wirst doch nicht.. Du kannst das Karzerinom doch separieren !"
Das Mädchen sah ihn bittend an.
"Nicht, wenn ich auf Nummer Sicher gehen will ! Rate Deiner Freundin dazu, einer Totaloperation zuzustimmen."
"Das
werde ich nicht tun!"
Adriana reagierte trotzig.
"Schließlich weiß ich wie man sich fühlt, wenn man keine Kinder bekommen kann !"
"Dann
spielst Du mit ihrem Leben, doch im Endeffekt ist es alleine Dr. Lamberts
Entscheidung.
Aber Du könntest sie ihr erleichtern. Ich hoffe Du unterrichtest sie
von ihrer Chance,
sonst werde ich es tun."
Adriana schwieg und brütete vor sich hin. Ihre ganzen sorgsam eingefädelten Pläne waren im Begriff über den Haufen geworfen zu werden !
Dr. Hollert stand auf und sah der Erpresserin ins Gesicht:
"Zumindest fällt es mir nun nicht mehr so schwer Deiner Forderung zu entsprechen!"
Damit beendete er ihre Unterredung und rief Dr. Lambert zu sich.
Als Natalie das Wartezimmer wieder betrat, sah Adriana, daß sie geweint hatte.
"So schlimm ?" fragte sie betrübt.
Nat streckte den Zeigefinger und fuhr damit in eindeutiger Pose quer über ihren Hals.
"Kopf hoch Frau Doktor, noch ist er nicht ab !"
Die Assistentin legte ihren Arm tröstend um Natalies Schultern:
"Du kannst ganz sicher sein, daß Du Dich auf Dr. Hollert's Künste verlassen kannst."
"Aber wozu soll ich weiterleben, wenn ich keine Kinder mehr bekommen kann !"
Zorn der Verzweiflung ließ Nat überreagieren. Wieder liefen dicke Tränen über ihre Wangen. Adriana schwieg. Viele Frauen mußten mit diesem Schicksal zurechtkommen, sie hätte ihr aus eigener Erfahrung berichten können, aber Vernunftargumenten würde die Chefin in dieser Situation nicht zugänglich sein. Also blieb als Ausweg nur ein gewagter Vorschlag:
"Dann stell Deine Eizellen als Spender zur Verfügung und laß einige davon für dich selbst reservieren !"
Ihre Sachlichkeit klang, als spräche sie von der selbstverständlichsten Angelegenheit der Welt. Nat schnappte nach Luft.
"Das kann nicht Dein Ernst sein!"
"Darüber solltest Du in Ruhe nachdenken, laß uns zuerst hier verschwinden."
Ariana wollte Nat hinausführen. Aber sie schüttelte die Jüngere ab. Sie war zu aufgewühlt um Ruhe zu bewahren :
"Wenn
ich es mir genau überlege werde ich meine Eierstöcke sowieso nie
brauchen und eigentlich
weiß ich garnicht, ob ich mich überhaupt operieren lassen soll
!"
"Du redest Unsinn !"
"Auch keinen größeren, als den, den ich gerade von Dir vernommen
habe !"
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