TEIL II Kapitel 1 Rückblicke
II 1 Völlig verstört und mutlos saß Nat auf ihren gepackten Umzugskartons. Seit ihrer Entscheidung Toronto zu verlassen, hatte sie mit Beschäftigungstherapie versucht, sich abzulenken. Aber nun wartete sie tatenlos auf den Möbelwagen, den die Transportfirma ihr schicken wollte. Derart gelangweilt war es ihr nicht möglich die Erinnerungen zu verscheuchen, die sich mit Macht in ihr Bewußtsein drängten. All die Zeit mit Nick hatte sie ihr Leben so vollkommen auf ihn ausgerichtet, daß sie nun völlig den Boden unter den Füßen verlor. Sie war so überzeugt davon gewesen, vor ihm zu sterben, daß sie es versäumt hatte, Pläne für ihre eigene Zukunft zu schmieden. In ihrer Niedergeschlagenheit wünschte sie sich beinahe mit in dem Gebäude gewesen zu sein, als es explodierte. <Wenn
er doch nur ihre Verabredung nicht einfach vergessen und sich in sicherer
Entfernung zum Noch
immer konnte sie sich seine rücksichtslose Gleichgültigkeit
weder erklären, noch sich dazu durchringen sie Nick zu verzeihen.
Nein ! Sie weigerte sich vehement dagegen, diese schreckliche Möglichkeit weiter in Betracht zu ziehen ! Ihre
Gedanken drehten sich im Kreis. Natalie
seufzte. <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< Nick
wurde täglich nervöser. Schon allein Kant's Anblick erzielte
auf ihn dieselbe Wirkung wie der Geruch von zerriebenem Knoblauch. ALLES
an ihm störte ihn. Eifersüchtig
bemerkte Nick, wie offensichtlich wohl es ihr tat, wenn der junge Mann
sich bei ihr mit kleinen Aufmerksamkeiten für ihre Hilfsbereitschaft
und die bevorzugte Behandlung ihrer Mordfälle bedankte. Es entging
ihm nicht, daß sie plötzlich deutlich mehr Wert auf ihre Garderobe
legte, oder den perfekten Sitz ihrer Frisur. Während es früher für Schanke ganz selbstverständlich war, daß Detective Knight seinen Caddy während der Einsätze als Dienstwagen benutzte und er daher auch chauffierte, passierte es nun immer öfter, daß sich Nick unversehens als Beifahrer in Torbens BMW-Sportwagen wiederfand, ohne daß dieser überhaupt eine Diskussion darüber angestrengt hatte. Er pflegte selbstsicher und geradlinig auf sein Ziel zuzusteuern, und jeder, der gewillt war mit ihm Schritt zu halten , mußte zusehen, daß er rasch hinterher kam. Knight haßte seine Fahrweise. Thorben selbst hätte sie als >sportlich und dynamisch< bezeichnet, genauso, wie er sich selbst zu beschreiben pflegte. Nick dagegen hatte nur ein Wort dafür: Raserei. Bei
Nick schrillten sämtliche Alarmglocken, als sein Gegenüber wie
beiläufig das Thema anschnitt, und er zugeben mußte, daß
er nicht einmal wußte, für welche Art von Musik seine engste
Freundin eine Vorliebe hatte. Der
BMW schoß ohne die Geschwindigkeit zu verringern die Grenvillestreet
geradeaus, obwohl das beleuchtete Eingangsschild ihr Ziel, das Gebäude
der Gerichtsmedizin , schon deutlich anzeigte. Sozusagen in allerletzter
Sekunde, und mit quietschenden Reifen kam ihr Wagen direkt vor dem Portal
zum Stehen. Aber dieses mal wollte Nick der erste sein, der ihr durch eine herzliche Umarmungzeigte, wie sehr er ihre Freundschaft zu schätzen wußte! Mit
einem kräftigen Ruck stieß er die Beifahrertüre nach Außen,
sodaß sie nahezu aus den Angeln zu brechen drohte und sprang hinaus,
ohne vorher einen Blick auf den Gehsteig zu werfen. Erschrocken schnellte er hoch. Was er sah war eine ganz in schwarz gekleidete, zierliche weibliche Gestalt auf Rollschuhen, die mit gezückter Pistole seinen Partner Thorben daran hinderte das Auto zu umrunden , um sodann behende auf ihren acht Rollen um die nächste Hausecke davon zu sausen. Gewöhnlich wäre es für den Vampircop ein leichtes gewesen der Fliehenden fliegend zu folgen. Aber mit Thorben an seiner Seite konnte er dies natürlich nicht riskieren. Und leider gelang es ihm auch dieses Mal nicht den Kollegen abzuschütteln, um aus seinem Blickfeld zu gelangen. Er befolgte partout keine Anweisungen ohne sie zu hinterfragen und ließ sich nicht wie Schanke grundlos auf die Rückseite des Gebäudes schicken. Als
die Polizisten den schmalen, abschüssigen Weg zur anderen Seite des
Häuserblocks gehastet waren, gab es selbst für Nicks nachtsichtige
Augen keinerlei Anhaltspunkt mehr, wohin sie sich wenden sollten. "Wir
werden es melden müssen", Kant
sah ihn mit einem Blick an, der deutlich verriet, daß er sich nicht
schlüssig darüber war, ob er die Szenerie bedrohlich finden,
oder lauthals deswegen lachen sollte. Nick bebte vor Zorn ! Der Umstand
allein >daß< die Waffe ihm abhanden gekommen war, berührte
ihn schon peinlich genug, aber der Dienststelle melden zu müssen
>wie< es dazu kommen konnte, grenzte seiner Meinung nach geradezu
an Entwürdigung. Er wollte unter keinen Umständen eine Fahndung
herausgeben, er mußte die Pistole zurückbekommen ! "Ich
geb' den Kollegen ihre Beschreibung" Thorben war im Begriff umzukehren.
"Laß das, ich werde das Mädchen schon finden". "Sie war ohne Pistole schon gefährlich genug, wie mir schien, aber nun ist sie auch noch bewaffnet !" Die Stimme seines Partners klang nun unverhohlen belustigt und auch ohne einen Blick auf ihn zu werfen, wußte Nick Knight, daß seine charakteristisch einseitig hochgezogene, rechte Augenbraue den schalkhaften Ausdruck seines spitzbübischen Lächelns noch zusätzlich verstärken würde. "Geh schon mal zu Nat, ich gebe die Fahndung selber durch, wenn ich keinen Erfolg habe!" "Bist Du sicher, Du brauchst keine Hilfe, Partner ?" Statt einer Antwort wandte der Verspottete sich ab und beeilte sich in den Schutz der Dunkelheit zu gelangen, um sich blitzschnell in die Luft zu erheben und die Umgebung einer genauen Prüfung zu unterziehen. Nichts rührte sich. Seine Wärmesensoren zeigten weder auf der Straße noch in den Innenhöfen menschliches Leben an. Mehr besorgt inzwischen, als verärgert beschloß er die Suche einzustellen und Unterstützung anzufordern. Rasch folgte Nick dem Kollegen in das Leichenschauhaus. Er wollte ihn nicht länger als nötig mit Nat alleine wissen!
Teil II Kapitel 2
Nicks Mißmut vergrößerte sich als ihm bewußt wurde, wie weit der schädliche Einfluß des Nebenbuhlers schon gediehen war. Er spürte, daß er im Begriff war die Freundin zu verlieren. Wie eine eiserne Klammer legte sich diese Erkenntnis um sein Herz! Einen kurzen Augenblick zögerte er, in der Absicht sich beleidigt zurückzuziehen, aber er kämpfte tapfer dagegen an. Er mußte etwas unternehmen, und zwar schnell! Nun den Gekränkten zu spielen würde die Sache nur noch verschlimmern. Es galt seine Gefühle ihr gegenüber nicht länger zu verbergen. Er beschloß sie in die Arme zu nehmen und sie spüren zu lassen, wie sehr er sie schätzte. Den Verlust der Waffe zu melden war wichtig, aber seine Beziehung zu Nat hatte Vorrang! Noch bevor Nick den Raum vollständig durchqueren konnte, wurde die Klapptüre zur Leichenhalle mit Schwung geöffnet und ein junges, ihm unbekanntes Mädchen, mit Schutzhaube und Kittel der Laborangestellten gekleidet, verharrte den Tick eines Augenblickes im Türrahmen. Ihre großen, dunklen Augen öffneten sich für einen Moment schreckensweit, um sich im nächsten Bruchteil der Sekunde zu schmalen Schlitzen zu verengen. Sie hob die Pistole, die Nick sofort als die seine erkannte gegen die überraschten Männer und rief Natalie zu: "Schnell, hierher in Deckung, Doc, ich werde sie aufhalten!" Dr. Lambert starrte verdutzt und verständnislos von den Freunden zu der bewaffneten Frau hinüber, die ihr Zögern als eine Folge von Angst zu interpretieren schien. Sie stand ihren Gegnern nun ruhig und furchtlos gegenüber und ihre Stimme klang fordernd und aufmunternd zugleich, als wolle sie Nat Mut machen, sich an den Eindringlingen vorbei in Sicherheit zu bringen: "Geh schon Nat, sie werden Dir nichts tun !" "Sie werden mir ganz sicher nichts tun !" Natalie hatte sich wieder von ihrem Schreck erholt. Sie deutete mit erhobenen Händen an, daß sie gewillt war, ihre übereifrige Beschützerin zu beruhigen - hauptsächlich zu deren eigenen Schutz, denn das verräterische Zucken in Thorbens Augen zeigte ihr unmißverständlich an, daß dieser im Begriff war die willkommene Deckung des zwischen ihnen liegenden Seziertisches dazu zu benützen, um seinerseits die Dienstwaffe zu ziehen. Und von der Tatsache, daß Nick jederzeit bereit sein würde, seine außergewöhnlichen Talente zum Schutz ihres Lebens und das seines Kollegen einzusetzen, brauchte sie sich gar nicht erst zu vergewissern. Es war höchste Zeit eine Eskalation zu verhindern ! "Darf ich vorstellen : Adriana, Eure neue Kollegin !" Verblüfft ließ das Mädchen die Waffe sinken. "Ich dachte..." verunsichert warf sie den Polizisten einen schuldbewußten Blick zu und stammelte verwirrt: "Verzeihung,
ich dachte..., nein ich war mir sicher, Sie wollten mich überfallen...vorhin
da draußen, Thorben hatte seine Emotionen als erster wieder im Griff. Er löste die peinliche Situation in der für ihn typischen Weise mit einem schallenden Lachen, das aber keineswegs verletzend klang, sondern lediglich bewirkte, daß die gefährliche Anspannung die soeben noch in der Luft gelegen hatte, wie eine Seifenblase zerplatzte. Wie immer strahlend und freundlich vergnügt, trat er auf die resolute junge Dame zu und hieß sie herzlich willkommen: "Alle
Achtung, das nenne ich im wahrsten Sinne des Wortes eine außergewöhnliche
>Vorstellung< ! Seine Augen wanderten belustigt zu seinem Partner und hinab zu der Stelle am Bein, wo ihr Tritt ihn getroffen hatte. Nick war weit davon entfernt die Situation komisch zu finden. Trotzdem wäre er bereit gewesen, gute Mine zum bösen Spiel zu machen und ihr die Hand zu reichen, wenn sie nicht im selben Augenblick plötzlich die Hände vors Gesicht geschlagen hätte und sich all ihre Anspannung in schallendem Gelächter entladen hätte. Thorben fiel sofort mit ein und beide geizten nicht damit, Natalie über sämtliche Details ihres ungewöhnlichen >Zusammentreffens< aufzuklären.
Nach kurzer Zeit wandte sich Adriana schuldbewußt ihrem Opfer zu : "Es
tut mir leid, Detective Knight, daß ich mich vorhin so rabiat verteidigt
habe, ich dachte wirklich es Sie
ging, immer noch lachend, auf Nick zu, die Hand versöhnlich gegen
ihn ausgestreckt. Er hätte sie nur anzunehmen brauchen, um in den
gemeinsamen Bund wieder aufgenommen zu sein. Aber er war gekränkt.
Er fühlte sich gedemütigt, mehr noch, sein männlicher Stolz
war verletzt. Sie war so jung, so hübsch, so bezaubernd! "Sind Sie sicher, daß Sie nicht unter Verfolgungswahn leiden ?" Verärgert ließ er sie unbeachtet stehen. Er drehte sich abrupt auf dem Absatz um und wandte sich mürrisch dem Ausgang zu, ohne die übrigen Anwesenden eines Blickes zu würdigen. Adriana schaute ihre Kollegen verlegen an. "Nick ...!" Natalies Empörung ließ ihn kurz zaudern, aber schon ein einziger Augenkontakt genügte um sie erkennen zu lassen, wie sehr seine verletzliche Seele schmerzte. "Schon
in Ordnung, wir hätten nicht auch noch darüber Nat's Beschützerinstinkt Nick gegenüber gewann sofort die Oberhand und siegte über ihre Enttäuschung wegen seines humorlosen Verhaltens: "Der
Vorfall sollte wenigstens unter uns bleiben, Die Doktorin sah Thorben bittend an, von dem sie annahm , daß er liebend gern dieses Thema zum Hauptgesprächsstoff der Abteilung erhoben hätte. "Wer
sollte solch wunderschönen Augen schon etwas Thorben blitzte der Schalk aus den Augen, er verbeugte sich andeutungsweise, während sein Blick den ihren nicht losließ, und fügte scherzhaft hinzu: "obwohl
ich zugeben muß, daß es überaus schade ist, Natalies Mundwinkel verzogen sich zu einem dankbaren Lächeln, ohne jedoch auf die Anspielung zu reagieren. Statt dessen wandte sie sich ihrer Assistentin zu : "Ich
denke es wird Zeit unsere Arbeit zu beginnen, es gibt genug Thorben konnte nicht umhin zu bemerken, daß er hier nun überflüssig war. Er verabschiedete sich winkend und schlenderte, die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben, schmunzelnd aus dem Raum. Als seine Finger die Kassettenhülle ertasteten, fiel ihm auf, daß die Ereignisse ihn ganz davon abgebracht hatten, den Zweck seines Besuches bei Nat zu erfüllen: ihr das Tonband zu schenken. <Es wird sich ein geeigneter Zeitpunkt ergeben> dachte er vergnügt bei sich . Die Perspektiven waren großartig, - genau nach seinem Geschmack !
Er
fühlte sich befreit als sich die beiden Fangzähne zeigten und
seine Augen glühten wie glutrote Kohlen in der dunklen Umgebung. Nick's Bein schmerzte an der Stelle, wo ihn die Hartgummirollen getroffen hatten, aber noch viel stärker peinigten ihn die Wunden, die der Spott in seinem Herzen hinterlassen hatte.
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