TEIL III Kapitel 9
Die Anspielungen in den nächsten Kapiteln auf die Serie La Femme Nikita sind nicht zufällig sondern gewollt. Ich habe zwar nie eine dieser Folgen komplett gesehen, kenne aber vermutlich jedes Ende. Denn da Forever Knight für lange Zeit und oft ohne erkennbaren Übergang unmittelbar anschließend gesendet wurde, musste ich den TV rechtzeitig einschalten um den Anfang nicht zu verpassen. Dadurch ist es wohl passiert, dass diese Serien in meinem Unterbewusstsein mehr oder weniger >untrennbar< zusammen gehören. Es ist aber nicht als >Crossover< zu verstehen.
Als Adriana das Internet-Cafe betrat, in dem sie manchmal ihre Freizeit verbrachte, blickten die meisten der Besucher nicht einmal auf.. Hier herrschte Anonymität, einer der Hauptgründe, weshalb sich die Jugendlichen dort trafen. Jeder war bemüht seine Identität so gut es ging zu verbergen. Dennoch waren es fast immer die gleichen User, die angespannt auf ihre Bildschirme starrten, ihre oft nicht immer legalen Machenschaften erforderten höchste Konzentration.
Heute
jedoch hatte sich ein Unbekannter hinzugesellt, der schweigend und an seiner
Umgebung scheinbar uninteressiert die Tastatur bediente.
<Professor - typ, aber nicht unsympathisch,
... ungeheuer interessant
sogar, auf den zweiten Blick !!>
ordnete Adriana den jungen Mann mit den kurz geschorenen Haaren und seinen runden Brillengläsern automatisch ein.
Mit den Augen deutete das Mädchen
einem ihrer Bekannten gegenüber an, dass sie an einer Auskunft interessiert
war. Das beschwichtigende Zeichen, das sie zurück bekam signalisierte
ihr grünes Licht. Der Neue schien den regulären Besuchern zumindest
vertraut zu sein,
mehr noch es zeigte sich, dass er für jedes noch so diffizile Problem
eine Lösung wusste, sodass er sich trotz seines unsicheren Auftretens
sofort bei den übrigen Computer-Cracks großen Respekt verschaffte.
Bei jeder Störung die er durch
diese Ratsuchenden erlitt, offenbarte sich deutlich seine Scheu vor Fremden,
er schien den Kontakt mit Mitmenschen nicht sehr gewöhnt zu sein.
Adriana konnte ihren Blick kaum von ihm wenden. Sie fühlte sich seltsam
zu ihm hingezogen. Eine faszinierende leblose Seele spiegelte sich in der
unergründlichen Tiefe seines Ausdruckes wieder, als hätte er sich
kampflos einem Schicksal ergeben indem er nur noch willenlos funktionierte.
Etwas morbides, unheilbringendes ging von ihm aus, das sie förmlich
mit sich riss.
Unwillkürlich kamen ihr die Worte von Thomas Mann in den Sinn.:
>>"Seltsamer, heikler ist
nichts, als das Verhältnis von Menschen, die sich nur mit den
Augen kennen[..]Zwischen ihnen ist Unruhe und überreizte Neugier, die
Hysterie
eines unbefriedigten, unnatürlich unterdrückten Erkenntnis- und
Austauschbedürfnisses
und namentlich auch eine Art von gespannter Achtung.
Denn der Mensch liebt und ehrt den Menschen, so lange er ihn nicht zu beurteilen
vermag,
und die Sehnsucht ist ein Erzeugnis mangelhafter Erkenntnis."<<
+Zitat :Der Tod in Venedig+
<So muss er ausgesehen haben, dieser Knabe, für den der alternde Dichter eine solche Schwäche zeigte und dessen Anziehungskraft er einen ganzen Roman gewidmet hatte>
dachte sie bei sich.
Ada zwang sich von ihm wegzusehen und begann in die Tiefen des Netzes einzutauchen. Die Entdeckung, die ihr vor einigen Monaten fast zufällig gelungen war, musste mit größter Vorsicht weiter verfolgt werden. Zuerst hatte ihr das leichtfertige Eindringen in diese verbotene Welt ja Spaß bereitet und ihren Forscherdrang befriedigt. Doch schnell war ihr klar geworden, dass sie eine Strasse betreten hatte, auf der es kein Zurück mehr gab. Denn wie brisant ihr Wissen sein musste, wurde ihr zunehmend deutlich, als sie plötzlich Zusammenhänge mit Mordanschlägen herzustellen vermochte, die sogar die Weltpolitik beeinflusst hatten. Sie war sich seitdem völlig bewußt, welch hohes Risiko sie eingegangen war, denn sie stand kurz davor eine Organisation zu enttarnen, die möglicher weise selbst dem Geheimdienst nicht unterstand.
Natürlich hatten ihre >Gegner< den fremden Spion in ihrem System sehr schnell bemerkt und selbstverständlich ihrerseits begonnen die Quelle zurück zu verfolgen. Die junge Wissenschaftlerin konnte es deshalb längst nicht mehr wagen, ihren eigenen Computer zu benützen.
Zuerst hatte sie geglaubt in der Nachtschicht der pathologischen Abteilung der Metro-police sicher zu sein, und dort eine Stellung angenommen, in der Hoffnung der Polizei-Apparat mit seinem erhöhten Sicherheitssystem böte ihr den maßgeblichen Schutz. Aber auch dies erwies sich als Trugschluss. Ihr Gegenpart war clever, doch gerade das forderte sie heraus, ihre Intelligenz mit ihnen zu messen.
Adriana hatte bereits einen entscheidenden Fehler begangen, der zu ihrer Enttarnung führen konnte.Ihre Screen Identität war aufgedeckt.
<Ich gewinne viel leichter, wenn ich sie in einem falschen Sicherheitsgefühl wiege>
versuchte sie sich zu beruhigen. Doch auch wenn sie dadurch hoffte, die Verfolger dazu zu verführen sie zu unterschätzen und aus ihrer Tarnung zu locken, war sie doch in ständiger Sorge und meinte seither von überall eine Bedrohung zu verspüren. Sie musste auf der Hut sein, ihr Leben war in Gefahr. Folglich reagierte sie misstrauisch und überreizt sobald sich jemand für sie interessierte. Detektive Knight, bei ihrem Zusammenprall am Tag ihres Dienstantrittes in der Grenvillestreet, war nur eines der Opfer ihres übersensibilisierten Nervenkostüms.
Es schien ihr daher ratsam sich endlich
ihren Kollegen anzuvertrauen. Nick und Kant hatte sie bereits in Kenntnis
gesetzt , doch solange es ihr nicht gelang genügend nachweisbare Indizien
auf eine CD zu speichern , hatte es keinen Sinn mit Captain Graham über
hypothetische Gefahren zu sprechen die von surrealistisch anmutenden Zukunftswelten
zu stammen schienen. Die Vorgesetzte würde erst dann die Einsatzkräfte
alarmieren, wenn ihre Beweise stichhaltig waren.
Für Thorben sprach Adriana wie immer in Rätseln. Er stand mit beiden Beinen zu fest in der Realität als dass fiktive Geheimorganisationen eines solchen Ausmaßes in sein Weltbild passten.
Nick dagegen nahm sie immerhin ernst.
Er vermittelte ihr das Gefühl der Gefahr bewusst zu sein, in der sie
nun allesamt durch dieses Wissen schwebten und versprach ihr der Spur eigenständig
nachzugehen.
Überhaupt hatte sich sein Verhalten ihr gegenüber geändert,
seit er wusste, dass sie sein Geheimnis kannte. Adriana verspürte keine
Angst vor ihm, im Gegenteil er schien ihre Mitwisserschaft zu akzeptieren
und respektierte sie mehr als früher, auf Grund ihrer Verschwiegenheit.
Es machte sie zu Verbündeten und es tat gut zu wissen, dass sie in
diesem Kampf mit einem unverwundbaren übernatürlichen Wesen verbündet
war.
"Hi Champ, wie läuft's"
einer der verspätet eingetroffenen Internet Nutzer kam strahlend auf Adriana zu. Er freute sich sichtlich über die Anwesenheit der einzigen weiblichen Hightech Kumpanin in der sonst ausschließlich männlichen Domäne. Und wie jeden in der Runde sprach er sie mit ihrem Pseudonym an. Ada hob knapp die Hand zum Gruß, lächelte ihm aber entgegen.
Kaum, nur den Bruchteil einer Sekunde
trafen ihre Augen dabei auf die des Fremden. Staunen lag in seinem Ausdruck.
Es war in ihm zu lesen, dass er ein Mädchen hinter dieser Screen -
Identität offensichtlich nicht erwartet hatte.
Obwohl er sich sofort wieder desinteressiert
zeigte, gab ihr seine Reaktion zu denken. Alarmbereit, wie sie nun einmal
seit geraumer Zeit war, beschloß sie sich schleunigst aus dem Staub
zu machen.
T
Wenige
Tage später bemerkte Natalie kurz vor Dienstende von ihrem Bürofenster
aus einen fremden jungen Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Er stand lässig und im halbdunkel der rückwärtigen Eingangstüre
zum Nachbargelände und starrte bewegungslos zu ihnen herüber
Es war offensichtlich, dass er jemanden erwartete. Er verhielt sich
eigentlich unauffällig aber sein ganzes Erscheinungsbild zog unwillkürlich
die Blicke eines Betrachters auf sich. Es war nicht eigentlich sein
ungewöhnliches Outfit im eleganten langen schwarzen Mantel der
so sehr in Diskrepanz zu seiner ungepflegten, lockigen Mähne
stand, sondern seine imponierende aufrechte Haltung, die ihm Beachtung
verschaffte. Man sah ihm an, dass er gewohnt war, Dinge selbständig
in die Hand zu nehmen. Lediglich der Ausdruck seiner Augen, die Nat weniger
sah als vielmehr fühlte, genauer gesagt sein starrer ins Leere gerichteter
Blick, verursachte bei Nat ein unangenehmes Gefühl.
Als sie Adriana auf ihn aufmerksam machte, erklärte diese kurz angebunden.
"Das ist Michael, der will mich wohl abholen."
"Findet man solche beeindruckenden
Typen in Deinem Spender-Katalog?"
scherzte Nat, "dann solltest Du mich ihm vielleicht mal vorstellen"
"Ganz im Gegenteil, ich bin mir nicht
so recht im Klaren, ob er nicht eher mich gefunden hat, er sprach mich
gestern in meinem Frühstücks-Restaurant an und seither erweist er sich als
ausgesprochen anhänglich. Aber in
einem jedenfalls bin ich mir sicher, dass Du Dich auf keinen Fall von ihm
blicken lässt. Du wirst mir den Gefallen
tun und heute ganz artig den Hinterausgang benutzen, OK ?"
"Nanu, seit wann so eifersüchtig ?"
Nat war überrascht wie entschieden die Assistentin sie zur Hintertüre hinaus komplimentierte und rasch wieder zusperrte.
Zum ersten mal fragte sie sich nun
, in wieweit sie mit ihrem Verhältnis zu Thorben Adriana's Gefühle verletzte.
Thorben hatte zwar schnell begriffen, dass Adriana ihm geistig weit überlegen
war, aber sein eigentlicher Rückzug war ihre Schuld. Und bisher hatte sie
bezüglich ihrer heuchlerischen Haltung nur ihm gegenüber das schlechtes
Gewissen geplagt.
Doch was wenn der Kollegin weit mehr an Thorben lag, als es ihr aufgefallen
war ? Sie hatte bisher nicht einen Gedanken an diese Möglichkeit verschwendet.
Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, ihre eigenen Probleme in den Griff
zu bekommen.
In welch aussichtslose Lage hatte sie sich hinein manövriert ! Täglich ließ sie sich willig von ihm ausführen. Sie genoss die abwechslungsreiche Freizeitgestaltung, die der lebhafte, junge Mann ihr bot - aber ebenfalls täglich suchte sie regelmäßig nach Ausflüchten, die ein intimeres Zusammensein mit ihm verhinderten. Sie war kein unmündiges Mädchen mehr, es wurde immer schwerer glaubhafte Gründe geltend zu machen, ihn nicht mit in ihre Wohnung zu nehmen.
Nun machte sie sich bitterste Vorwürfe,
durch ihre Feigheit nicht nur sich selbst, sondern auch andere unglücklich
gemacht zu haben!
Es wäre so viel einfacher gewesen diese Verbindung zu beenden, wenn sie
Thorben die Schuld hätte zuschieben können. Aber er gab ihr keinen Grund,
sich aus der Verantwortung zu stehlen. Er war charmant, und liebevoll besorgt
um sie, er verwöhnte und umsorgte sie, es hätte ihr gar nicht besser gehen
können. Doch gleichgültig, wie sehr sie auch versuchte auf ihren Verstand
zu hören - ihr Herz schlug weiter nur für Nick.!
Warum nur hatte sie ihm nicht ein einziges
Mal die Wahrheit eingestanden ? Warum ließ sie ihn glauben, dass ihr seine
Freundschaft allein genügte ?
Aber was hätte sie ihm , dem Fremden aus der immerwährenden Nacht schon
sagen können?
Das Rätsel fiel ihr wieder ein, das ihre Großmutter ihr so oft in ihren Kindertagen vorgelesen hatte:
>>Was sagt man jemand, wenn das Herz voll ist aber nur eine Sekunde bleibt um es auszusprechen ? Was von allen Dingen, die so wichtig scheinen ist am bedeutendsten, es auszudrücken ?<<
Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie verstand."Ich liebe Dich". Die Lösung war so einfach , aber dennoch wollten diese Worte oft so schrecklich schwer von den Lippen kommen. Es war Sidney's Fell, das die Tränen ihrer Verzweiflung auffing. Nur ihrer Katze konnte sie daher die Umarmung schenken, die für ihn bestimmt gewesen wäre.
Adriana gelang es ebenfalls sich an ihrem hartnäckigen Verehrer vorbei zumogeln. Sie fand es verdächtig, dass sie plötzlich solch Aufsehen erregte und hatte vorsichtshalber Vorkehrungen getroffen, die sie auf unbefugtes Betreten ihrer Wohnung aufmerksam machten.
Schon von weitem signalisierte ihr daher das kleine, funkgesteuerte Alarmlämpchen ,das sie schon vor längerer Zeit in einem Wartehäuschen installiert hatte, die befürchtete Warnung,. Sie bestieg den nächsten Linienbus, es war sicher, dass sie dorthin nicht mehr zurück konnte.
Es fiel Nick immer schwerer sich LaCroix' Einfluss zu entziehen. Die vielen Stunden, die er nun wieder in seiner und Janettes Gesellschaft verbrachte, verfehlten ihren Einfluss nicht. Manchmal drängte es in bereits geradezu der inneren Neigung nachzugeben und wie in früheren Zeiten mit ihnen auf vergnügliche Jagd zu gehen. Wenn er dann unter höchster Anstrengung dieser Verlockung entsagte, erntete er jedes Mal ein höhnisches Lachen seines Meisters und dessen Blick zeigte ihm deutlich was er dachte:
<"Wie lange noch, wie lange noch mein Sohn, wirst Du mir widerstehen ?">
Er brauchte Hilfe ! Er brauchte Natalie !
Aber wieder eine Nacht verging, ohne dass er Initiative zeigte, wieder eine Nacht in der er grübelnd an der Theke des Raven stand.
Er blickte zur Eingangstreppe des Nachtclubs, daher bemerkte er sie als erster. Ein wenig zögernd, aber lässig, wie es ihre Art war, lehnte Adriana dort am Treppenaufgang und ließ ihre Augen forschend über die Anwesenden gleiten. Etwas an ihrem Erscheinungsbild provozierte ihn. Er spürte dass sein Puls sich beschleunigte. Wie um sich in Opposition zu stellen, wechselte er die Haltung und drehte ihr den Rücken zu. Trotzdem erwartete er gespannt, dass sie ihn ansprach.
Aber sie kam nicht zu ihm. Sie suchte Janette.
"Ich bitte um Asyl, ich brauche Deinen Schutz!"
klar und deutlich forderte sie die Gegenleistung die die Vampir-Lady ihr noch schuldig war.
Janette wäre bereitwillig auf diese Forderung eingegangen, sie fragte nicht einmal vor welcher Art der Bedrohung sie sich verbergen wollte. Sie hatte in den Zeiten vor ihrem Vampirdasein oft genug unter männlicher Gewalt zu leiden gehabt und es war nicht die erste Frau die sie seither beschützte.
Doch LaCroix hatte andere Pläne. Sofort begann er am Netzwerk seiner Intrigen zu spinnen, eine der Beschäftigungen deren er sich mit größter Leidenschaft widmete. Daher antwortete er statt ihrer:
"Im Raven wärst Du nicht sicher, mein Kind, wer sollte Dich am Tage beschützen, aber ich glaube wir finden eine ausgezeichnete Alternative, die jeden von uns zufrieden stellen dürfte!"
Sein Gesichtsausdruck war unbeweglich, aber in dem Moment, wo er Nick zu sich winkte, erriet Janette, was er bezweckte
: >Eine unwiderstehliche Verlockung
für Nick, eine Mitwisserin weniger für die Vampirgemeinde, vielleicht sogar
ein attraktives Mitglied mehr - Perfekt!<
Die Wohnung sah aus wie immer, aber
Nick spürte, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas war anders als sonst.
Auf sein Zeichen hin verharrte Adriana in der Küchenzeile
.Langsam und vorsichtig stieg der Vampir die Stufen zu seinem Schlafgemach
hinauf. Er fand alles so vor, wie er es verlassen hatte. Dennoch wich diese
innere Aufruhr nicht. Seine Sensoren zeigten Alarmzustand an und er konnte
sich auf seine Sinne verlassen.
Nick ging auf die Brüstung zurück um seiner Hausgenossin zu signalisieren,
dass in der oberen Etage keine Gefahr bestand, als der schrille Ton des
Cellphones jäh die Stille durchbrach. Unwillkürlich jagte es dem Mädchen
einen Schauer über den Rücken, aber es durchtrennte auch die Anspannung
der überreizten Nerven und führte sie auf den Boden der Realität zurück.
Adriana wendete sich dem Zimmer zu, das Nick ihr großzügig zur Verfügung stellte um ihn bei seinem Telephongespräch alleine zu lassen.
Kaum hatte sie ihre Türe einen Spalt breit geöffnet, als sie wie erstarrt im Türrahmen stehen blieb.
Nick, das Handy zwischen Ohr und Schulter festgeklemmt, eilte bei ihrem Zögern sofort herbei und drängte sie beiseite um einen eventuellen Angriff abzuwehren.
Was er sah erstaunte ihn. Das Zimmer bot einen ungewöhnlichen Anblick. Beide blickten kurze Zeit sprachlos auf den neu gestalteten Gästeraum. Alle Möbel, und sonstige Einrichtungsgegenstände, von Adriana gerade erst für ihren eigenen Bedarf arrangiert, waren verschwunden. Stattdessen zeigten sich die Wände nun vollständig kahl. Schwarze, samtene Tücher, verhüllten das Fenster vollkommen, sodass sich kein Lichtstrahl mehr von Außen herein verirren konnte. Doch duzende von schlichten weißen Kerzen erhellten das Zimmer mit ihrem gespenstisch flackernden Schein und gaben den Blick auf ein dunkles Etwas frei, das die Mitte des Raumes füllte und vor dem bestimmt ein Dutzend dunkelrot gefüllte Glasflaschen drapiert am Boden standen.
Schaudernd erkannte Ada, was dieser schwarze Kasten zweifellos war: - ein alter Sarg!
" Ja, Captain ? - was, eine Hausdurchsuchung
? - bei mir ? - aber warum ? - die Dienstaufsicht - Wie bitte ? Ich
verstecke keine Leiche aus dem Raven ! Was für ein Unsinn ! Was versprechen
sie sich denn davon ?"
Nick's Stimme klang zunehmend gereizt.
Sie verriet seine Erregung. Er hatte nicht den geringsten Sinn für diesen
makabren Scherz.
Gedankenverloren trat der Vampir näher und war im Begriff den Deckel
der hässlichen Truhe zu öffnen, um sich Gewissheit zu verschaffen,
aber der spitze Schrei:
"Nicht !"
des erschrockenen Mädchens hinderte ihn sofort an seinem Vorhaben.
>Hausdurchsuchung!<
In Adriana's geschultem Gehirn begann
es sofort zu arbeiten. Sie hatte keine Mühe, die Zusammenhänge zu begreifen.
All die auffällig zusammengestellte Dekoration dieses Zimmers diente
nur einem Zweck: Nick's Enttarnung !
Eine Vampirbehausung wie aus dem
Lehrbuch eines Hollywood Regisseurs !
Wer konnte es darauf abgesehen haben ihn derart bloßzustellen ? LaCroix ? Nein, das ergab keinen Sinn, die Verbindung zwischen Nick und dem Raven war zu bekannt, es würde auch ihn und seine sorgsam gehütete Familie treffen. Wer also sonst ?
Das Klingeln unten an der Wohnungstüre zeigte, dass der Polizeieinsatz unmittelbar bevorstand. Derart in die Enge getrieben, leuchteten Nick's Augen gefährlich grün auf. Adriana begann zu ahnen, dass er im Notfall keine Rücksicht mehr nehmen würde. Sie verschwendete also keine Sekunde länger mit überflüssigen Vermutungen. Hier war Handeln gefragt, und die Zeit war knapp. Beherzt ging sie daher zur Sache:
"Rasch, stell die Flaschen hinter die Tücher und halte die Kollegen einen Moment auf !"
Sie selbst zerrte einen großen Spiegel zurecht. Die Flaschen waren kaum außer Sicht, als sie den Aufzug eintreffen hörten.
Im Vorbeilaufen entriss das clevere Persönchen dem Vampircop noch schnell die Handschellen aus dem Gürtel. Es blieb nur Zeit für einen fragenden Blick, bevor sich bereits die Fahrstuhltüre öffnete. Nick eilte den Kollegen entgegen.
Ada vermied es, dem Totenschrein allzu nahe zu kommen, Nichts an dieser Situation erschien ihr geeignet sie daran zu erinnern, dass ihr momentaner Beruf eigentlich darin bestand sich mit Leichen zu befassen. Geschickt löste sie die Ketten von den seitlichen Eisengriffen.. So schnell es eben ging drapierte sie die Tücher ein wenig anders und stellte die Kerzen vor dem Spiegel in Position. Sie hatte in der Eile wenig Geduld für eine künstlerische Meisterleistung aber hier zählte mehr der erwünschte Effekt. Die Ketten hätten länger sein können, doch der Kerzenschein ließ sie wirkungsvoll blinken und die provokant zur Schau getragenen Handschellen sahen recht gut aus, fand sie.
Was sie bezweckte war der Vampirbehausung
einen sadomasochistischen Touch zu verleihen, der einzige Ausweg der ihr
einfiel um die ungebetenen Besucher , allen voran Thorben , den sie sofort
an der Stimme erkannte, davon abzuhalten, den Raum zu durchsuchen.
Doch was, wenn sie den Sargdeckel hoben ?
Adriana verdrängte den Gedanken. Nun hatte nur noch ihr eigener Beitrag
zur mutmaßlichen privaten Peepshow zu folgen.
Flink entkleidete sie sich bis auf ihre Unterwäsche. Strapse wären geeigneter gewesen, aber ihr schwarzer BH und ihre halterlosen Seidenstrümpfe mussten genügen. Sie setzte sich in Positur, als erwarte sie ahnungslos ihren Lover und nicht das komplette Polizeiaufgebot in seinem Gefolge.
Nick beobachtete die Eindringlinge mit Argwohn, als sie in alle Winkel seiner Wohnung ausschwärmten. Was also sollte er tun ? Hypnose allein war in diesem Fall wohl keine Lösung. Er hatte sich bereits innerlich damit abgefunden, dass dies das Ende seiner Polizeilaufbahn darstellte. Also bereitete er sich auf das Äußerste vor.
Sie näherten sich schon Adrianas Raum und machten auch vor dessen Durchsuchung nicht Halt. Gleich würde seine Enttarnung erfolgen!
Mit Schwung stieß Thorben die Verbindungstüre zu Nick's Gästezimmer auf. Überzeugt, dass es sich nur um einen Fehlalarm handelte, wollte er diesen unangenehmen Auftrag so bald wie möglich hinter sich bringen. Gewiss sein Verhältnis zu Detektive Knight war nicht besonders herzlich zu nennen, aber dieses Gebaren einem Kollegen gegenüber ging gegen seine Ehre.
"Oh"
entfuhr es ihm daher perplex, beim Anblick, den Nat's Assistentin ihm überraschender Weise bot.
"Oh"
ertönte beinahe synchron aus weiblichem Munde.
Thorben zuckte zurück und prallte mit einem Kollegen zusammen, der ebenfalls vor Staunen mit offenem Munde stehen blieb. Die Peinlichkeit sie in dieser verfänglichen Situation überrascht zu haben war jedoch bei dem männlichen Part weit ausgeprägter. Wie auf Kommando machten die Polizisten kehrt und verließen die vermeintliche Lasterhöhle. Nicht einmal der Sarg erweckte ihr Interesse.
Nick soeben noch in Angriffslaune, vermochte sich nicht zu erklären, was der hektische Rückzug zu bedeuten hatte. Noch weniger verstand er, warum er von einem Teil der ungebetenen Besucher vielsagende und geradezu anerkennende Blicke erntete. Thorben dagegen rümpfte pikiert die Nase und sagte betont spießig:
"Verzeihung dass wir Sie bei Ihren intimen Aktivitäten stören mussten, Detective!"
Nick spähte neugierig über die Kollegen hinweg in sein Gästezimmer. Was er sah entlockte auch ihm ein vielsagendes Grinsen.
Schweigend aber erleichtert, geleitete er die Diensthabenden zur Aufzugstüre.
"Deine Talente sind vielfältig, junge
Dame.
Meine Anerkennung ist Dir sicher, aber Thorbens Achtung dürften wir uns
damit
endgültig verspielt haben !"
stichelte er gutgelaunt, als er zurückkam.
Er sah Adriana bewundernd an. Er konnte nicht leugnen, dass es ihn erregte was er hier geboten bekam. Zum ersten mal verdeckten nicht ihre zwar modisch weiten aber betont unvorteilhaften Pullover ihre weiblichen Formen. Das bleiche Kerzenlicht warf harte Schatten auf ihre sonnengebräunte Haut und liess ihren zierlichen Körper noch zerbrechlicher erscheinen. Sein Blick blieb an dem aufreizenden kleinen Diamanten haften, der sich in ihrem Bauchnabel befand. Noch mehr war es jedoch diese jugendliche Unbekuemmertheit, die ihn so faszinierte an ihr.
Er hätte den Anblick gerne noch etwas genossen.
. "Die Show ist beendet, raus !..."
ihre Geste war unmissverständlich
"...und zwar schnell !!"
fügte sie plötzlich eilig hinzu.
Erst jetzt bemerkte der Vampir , dass seine Eckzähne hervorgetreten waren. Seit seiner Verletzung und LaCroix's selbstgefälliger Hilfestellung gelang es ihm immer weniger sich zu kontrollieren. Seine Gefühle waren in Aufruhr und er wusste, dass es nicht alleine der Ärger über die Belästigung der ungebetenen Besucher war, der ihn aufwühlte.
Es wurde Zeit sich zurück zu ziehen, wenn er die Rechnung seines Vaters durchkreuzen wollte. Im Hinausgehen ergriff er eine der dunkelrot gefüllten Glasbehälter und begab sich widerwillig ins Wohnzimmer zurück. Adriana musste fort, nun da er auf sie aufmerksam geworden war, weit fort sogar aus seinem eigenen Einflussbereich !
Es war NICHT Thorben durch den Natalie von der pikanten Angelegenheit erfuhr. Kaptain Graham hingegen war es, die ihr lapidar mitteilte, dass sie auf ihre geschätzte Miarbeiterin in Zukunft wohl würde verzichten müssen. Sie rezitierte etwas wie >ein Beweis für die Unbeständigkeit der Jugend von Heute< , als Nat sich erschüttert nach dem >wieso< erkundigte; und von >so spontan, wie ihr Eintritt in die Gerichtsmedizin der Metropolitan Police gewesen sei, so nun wohl auch ihr Ausscheiden<.
"Nun ja - allerdings nicht so
ganz unverständlich. Nach dem Vorfall von gestern würde sie sich
ja kaum noch in der Abteilung blicken lassen können; - vor allem bei
den männlichen Kollegen hätte
sie in Zukunft vermutlich erhebliche Schwierigkeiten sich Achtung zu verschaffen.
Sie sind durch
Mr Kant bestimmt bereits unterrichtet...?"
Nat verneinte nicht, so perplex wie sie war. Doch gerade die Tatsache dass >er< davon wusste und es vor ihr geheimzhalten versuchte brachte sie vollständig in Rage.
Eigentlich hatte Nat vorgehabt beide, sowohl Ihre Freundin , als auch Nick leidenschaftlich gegen alle Vorwürfe der Welt in Schutz zu nehmen. Sicher handelte es sich nur um ein Missverständnis! Aber Thorbens Bericht verunsicherte sie erheblich und liess ihren innerlich aufgebauten Verteidigungswall schnell bedenklich ins Wanken geraten. Die Bilder die sie sich in ihrer Eifersucht ausmalte, weckten bittere Enttäuschung . Was hatte Nick sich nur dabei gedacht ? Warum sollte eine Liebesbeziehung zu einem Vampirs für Adriana keine Gefahr bedeuten zu ihr, Natalie hingegen, war sie unmöglich ? All seine schönen Worte über Verzicht und Überwindung seiner Besessenheit galten anscheinend immer nur in Bezuzg zu ihr !
Als ihr Sinn für Gerechtigkeit schliesslich gegen alle Verunsicherung siegte, beschloß sie mit Nick zu reden um sich so selbst ein Urteil bilden zu können.
Nick wußte, dass nur noch eine intensive Ausprache mit Natalie die Situation zu klären vermochte. Er erwartete sie deshalb bereits vor ihrer Wohnungstüre. Unglücklicherweise hatte er jedoch die Fürsorlichkeit seines Kollegen Kant nicht recht bedacht, der Natalie wie üeblich nach Dienstschluss nach Hause begleitete, was nun anstelle des erhofften vier Augen Gespraeches, zu einer eher peinlichen Gegenüberstellung führte. Nat sah sich gezwungen beide Herren hereinzubitten. Sie hätte gerne mit Nick alleine gesprochen, aber sie konnte unmöglich Thorben zurückweisen.
Kant blickte den Rivalen herausfordend an. Er war gespannt, welche Ausrede er sich parat gelegt hatte um weiterhin beide jungen Damen um sich zu scharen. Bei Nat sollte ihm das nicht mehr so leicht gelingen, dafür würde er sorgen !
Folglich blickten ihm zwei Augenpaare erwartungsvoll entgegen. Nick wand sich wie ein Aal, er wußte nicht wie er beginnen sollte. Schon garnicht war es Thorben, dem er Rechenschaft schuldete! Nach einer kurzen Zeit der betretenen Stille erhob er sich abrupt und wollte gehen:
"Was soll das werden ?" beschwerte er sich empört "Ich komme mir ja vor wie vor's Kriegsgericht gestellt."
Nat beeilte sich ihn zurückzuhalten. Auch wenn sie wußte, dass eine vernünftige Diskussion so nicht zustande käme, wollte sie die Frage beantwortet haben die sie am meisten quälte.
"Nick muß ich der Schilderung der Situation in Deiner Wohnung glauben schenken ??"
"Oh Dein heldenhafter Beschützer war sicher nicht kleinlich in der detaillierten Schilderung der Einzelheiten ?"
Er konzentrierte sich mehr darauf seiner Verachtung über Thorben's Schwatzhaftigkeit Ausdruck zu verleihen anstatt die Gelegenheit zu nutzen Natalie zu bestätigen dass er sich wirklich in der Notlage befunden hatte, auf die seine treue Vertraute abzielte.
"Und wo ist Ada jet..." - Nat hatte völlig absichtslos begonnen diesen Satz zu formulieren.
Doch noch bevor sie ihn zuende sagte, stockte ihr plötzlich der Atem.
"Eine gefähliche Geheimorganisation..."
begann Nick wahrheitsgemäß bevor er merkte, was vor sich ging. Natalie's Gesicht hatte jegliche Farbe verloren. Blankes Entsetzen war in ihrem Ausdruck zu lesen.
"....Sie bedroht ihr Leben, sie mußte sich davor verstecken, das ist die Wahrheit!"
beteuerte der zu unrecht Verdächtigte schnellstens zu versichern. Das klang nicht sehr glaubhaft. Ihr gegenüber hatte die Freundin nie eine derartige Gefahr erwähnt.
"Nick... Du hast doch nicht ...mit Gewalt... ?" Sie begann zu zittern.
Thorben schaltete sich ein.
"Liebes reg Dich nicht auf, ich
kann Dir versichern , dass es nicht so aussah als hätte er sie
dazu zwingen müssen"
Nat starrte Nick weiterhin an, Grauen stand in ihren Augen zu lesen. Thorben hatte sie mißinterpretiert, aber Nick verstand. Er erschrak bei diesem Ausdruck. Zu deutlich zeigte sich das Mißtrauen in der Mine seiner einzigen Freundin, die ihm bisher so blind vertraute.
Daß ein Gespräch mit Thorben als Zeugen nicht die erhoffte Klärung herbeiführen konnte, schon garnicht einen Erfolg für ein erneutes Aufleben ihrer Beziehung versprach, stand ja schon von vorneherein ausserer Frage. Aber was Nick nun geradezu niederschmetterte war die Erkenntnis, welch unglückseligen Verlauf die Unterredung genommen hatte. Ihr Verhalten bedeutete absoluten Vertrauensverlust. Sie traute ihm gar zu das Mädchen getötet zu haben. Offensichtlich hatte nun auch sie ihren Glauben in ihn verloren.
Als Thorben's Arm sich liebevoll und zaetrtlich um seine Freundin legte und sie dies zuließ, zerbrach eine Illusion in dem unglücklichen Vampir. Nun schien auch Nat ihm den Zugang zu ihrer menschlichen Welt verschlossen zu haben.