TEIL III  Kapitel 1

Als Janette mit ihrem so schwer verwundeten Freund das Raven erreichte, bemerkte sie sogleich zu ihrer Erleichterung, daß der hintere Einlaß weit offen stand, ein Zeichen, daß LaCroix sie bereits erwartete. Auf seine empfindlichen Sinne war verlaß.

Nick war kaum mehr am Leben. Sein Anblick bewirkte sogar bei dem sonst so undurchschaubaren, mitleidslosen Monster einen Ausruf blanken Entsetzens. Zärtlich besorgt erfaßte er seine schlaffe Hand und führte sie instinktiv zu einem Kuß an seine Lippen. Zum ersten mal in all den Jahren ihres engen Zusammenlebens wurde Janette Zeuge einer Gefühlsregung ihres älteren Artgenossen, von der sie zwar geahnt, niemals jedoch zuvor einen sichtbaren Beweis vor Augen hatte. Sie war ergriffen, doch es war nicht die Zeit für Sentimentalitäten.

"Hilf ihm Luzius, rasch !"

Janettes bittende Aufforderung riß LaCroix aus seiner Versunkenheit. Ein kräftiger Biß in seine Vene am Handgelenk förderte das Elixier hervor, das immerwährendes Leben garantierte. Unaufhaltsam liefen die dicken roten Tropfen in Nick's leicht geöffnete Lippen. Es dauerte nur Sekunden, bis der mit dem Tode Ringende die Wirkung der hilfreichen Infusion zu spüren begann und er das dargebotene Handgelenk fest an sich preßte.

Er stieß seine Fänge tief durch die weiche Haut seines Spenders und saugte gierig den köstlichen Saft . LaCroix streckte seinen Kopf in den Nacken und schloß genüßlich die Augen. Schmerz und Lust paarten sich in überwältigender Einheit und weckten das Bedürfnis nach mehr.

Überrascht und fasziniert blickte Janette auf die erregende Szene und begriff, daß es eine Beziehung zwischen den beiden Männern gab, die ihr für immer verschlossen bleiben würde.

T

"TEIL III  Kapitel 2"

 

Adriana wartete an der Unfallstelle, bis der Captain und Detective Kant vom Rettungspersonal provisorisch versorgt worden waren. Es stellte sich heraus, daß beide nur leichte Blessuren davongetragen hatten. Doch als Kant aus seiner Ohnmacht erwachte und das zerstörte Polizeiauto in dem Flammenmeer sah, hielt er es nicht für möglich, daß er alleine den beiden jungen Frauen seine Rettung verdankte. Ebenso wie Adriana war er enttäuscht von Nick und zürnte er seinem Partner insgeheim für die unterlassene Hilfeleistung.

Samanta Graham saß in eine Decke gehüllt am Straßenrand und starrte wortlos vor sich hin. Sie versuchte das Geschehene zu verarbeiten. Die hilflose, verzweifelte Lage in der sie sich befunden hatte und die daraus resultierende Todesangst wirke noch nach und ließ sie frösteln. Nur vage und schemenhaft nahm sie das hektische Treiben um sie herum wahr.

Eine unnatürliche, gespenstische Szenerie spielte sich vor ihr im Halbdunkel ab, ein Eidruck, der durch das Flackern des Feuers noch verstärkt wurde. Es unterstützte die wirren Phantasiebilder, die von ihren angespannten Nerven hervorgerufen wurden und sich bedrohlich steigerten.


<Soll sie doch am eigenen Leib erfahren, was Phobien bedeuten !>

Wieder und wieder hämmerte dieser Satz aus der Erinnerung auf sie ein. Janette hatte es nicht ausgesprochen, aber es war für die Kommissarin unerklärlich deutlich in ihren Augen zu lesen gewesen und hatte sich tief in ihrem Bewußtsein festgesetzt. Es machte sie zornig doch vor allem: es machte ihr Angst !


<Sie hätte Dich einfach verbrennen lassen können !>

Wut und Dankbarkeit fochten einen zermürbenden Kampf in ihren wirren Gedanken, bis die Rufe aus der Menge zuerst wie aus weiter Ferne, dann aber klar und deutlich zu ihr durchdrangen.

" Knight, es lebe Detective Knight !"

Sie ließen ihn hochleben, stellte sie verwundert fest. Aber wo steckte ihr Mitarbeiter und vor allem wo war er vorhin gewesen? Jetzt, wo sie an ihn dachte, wurde ihr so recht gewahr, daß es ihr Detective anscheinend nicht im geringsten für nötig befunden hatte, sich an ihrer Rettung zu beteiligen !

Sie winkte Adriana zu sich:

"Wo ist Knight?"

"Miss Ducharme's Verletzungen machten es erforderlich sie in eine
Klinik zu bringen.... "

sie stockte ein wenig, unsicher, wie sie der Vorgesetzten erklären sollte daß der Polizist die Festnahme umgangen hatte.

"Schicken sie eine Fahndung an alle Einsatzkräfte, es besteht
erhöhte Fluchtgefahr!"

"Captain ich bin mir sicher..."

"Tun sie, was ich ihnen sage !" Graham war entschlossen unerbittlich zu bleiben!


Anders als die beiden enttäuschten Damen seines Reviers jedoch, wußten die Bewohner des angrenzenden Stadtviertels Nick's Vorsichtsmaßnahme, das rasche Entfernen der Propangasflaschen, sehr wohl zu schätzen. Sie feierten seinen umsichtigen Einsatz als Heldentat, der sie die Rettung ihres Hab und Gutes sowie eventuell sogar ihr Leben zu verdanken hatten.

Und die anwesenden Journalisten griffen diese werbeträchtige Aktion sofort sensationsgierig auf, was selbstverständlich, Samanta Graham mußte es sich widerwillig eingestehen, ihrer gesamten Abteilung zu Lob und Ansehen gereichen würde. Dagegen schauderte sie bei dem Gedanken, an den Sturm der Entrüstung der manipolierten Massen, der sich bei folgenden Schlagzeilen über sie entladen würde:

>>Retter des Stadtviertels von der eigenen Vorgesetzten zur Fahndung ausgeschrieben!<<
>> Herzlose Polizistin zerrt ihre eigene Lebensretterin verletzt aus der Klinik auf ihr Revier"<<

Sie resignierte:

"Gut, Miss Kling, ich werde der Verdächtigen die Chance geben, sich morgen
selbst zu stellen."


Sie erhob sich unsicher und ließ sich dankbar in den Rettungswagen betten. Was sie dringend benötigte war Entspannung. In ihrer Verfassung war sie nicht mehr in der Lage die Verantwortung für die Entscheidungen zu übernehmen, die diese Situation verlangte.

"TEIL III  Kapitel 3"

 

Nicholas spürte sofort, wer ihn ins Leben zurückholte. Eine allzu bekannte Revolution ereignete sich in seinem Körper und die gewaltigen Emotionen die das Blut seines Vampirvaters bei ihm auslöste mischten sich in windeseile zu einer überwältigenden Fülle von Empfindungen die mit seinem eigenen Blut zu einem perfekten Ganzen verschmolzen, und versetzten ihn in längst überwunden geglaubte euphorische Erregung, noch bevor er daran denken konnte, sich dagegen aufzulehnen.

Als er unvermittelt seine Augen wieder aufschlug um sich zu vergewissern, daß er nicht träumte, war das Erste, was er erblickte die blaßblauen Augen seines Meisters LaCroix, die noch immer unkontrolliert offen und in tiefster Sorge auf ihm ruhten. Dieser kurze, unvorhergesehene Augenblick der Überraschung machte es möglich, ihm einen selten unverwehrten Einblick in dessen schutzlos ausgelieferte Seele zu gewähren, die ihn irritierte, denn er gestattete ihm gerade noch dessen tief empfundene Zuneigung zu offenbaren, bevor der vertraute Ausdruck der Reglosigkeit die Anteilnahme überdeckte und der bekannte sarkastische Zug um die Mundwinkel den aufkeimenden Hauch von Sympathie zunichte machte, der sich in Nick geregt hatte.

Nick's spontane Reaktion von Dankbarkeit erstarb sofort als er die dargebotene Flasche bemerkte. Menschenblut! Blitzschnell erfaßte er seine Situation:

Er war dem Vampirvater hilflos ausgeliefert!


In seinem Zustand würde er nicht auf Blut verzichten können, und es war ihm völlig klar, was das Angebot von LaCroix für ihn bedeuten würde. Sein Entzug, alle seine Anstrengungen wieder menschlich zu werden, seine Rückverwandlung und Erlösung vor allem aber seine Hoffnung Natalie zurückzugewinnen standen somit in Frage!

Brüsk wies der Verletzte die Verführung zurück. Er sprach die Bitte nach Rinderblut dennoch aus, obwohl sie keine Aussicht auf Erfolg verhieß.

"Welche Verschwendung an einen solchen Kretin, aber leider verfüge ich
nur über die edelsten Jahrgänge"

Luzius kostete die wertvolle Hausmarke demonstrativ mit Genuß und runzelte dann verächtlich die Stirne, ohne seinem Sohn Gehöhr zu schenken.

"Dann verweigere ich meine Heilung !" Trotzig verschränkte Nick die Arme.

"Nun, für jemanden, der entschlossen ist zu sterben, hast Du Dich aber soeben gewaltig an Deine Rettung geklammert"

höhnisch betrachtete er die Bißwunden an seinem Handgelenk.

"Auch ich brauche Medizin"

Janette machte die Streithähne ungeduldig auf sich aufmerksam. LaCroix schenkte ihr ein.

"Ich dachte eigentlich mehr an frische Kost, die wirkt besser !"

Sie blickte ihr Familienoberhaupt forsch von der Seite an:

"Ich denke Du weißt, wie man eine Lady verwöhnt"

Das gefüllte Glas in Reichweite plaziert, verließen die beiden Vampire den Raum.

Nick sah sich gezwungen nachzugeben. Seine Gegenwehr verebbte, die Vernunft behielt die Oberhand. Er wollte nicht sterben, nicht so, und nicht jetzt !

Nun, wo er fest entschlossen war, Natalie erst wieder unter die Augen zu treten, wenn er als fühlendes, menschliches Wesen fähig war zu geben, nicht nur zu nehmen, würde diese Entwicklung einen herben Rückschlag bedeuten, aber er brauchte Nahrung ! Der Kampf war für's erste verloren und es machte keinen Sinn sich aufzulehnen. Aber je schneller er wieder bei Kräften war, sagte er sich, um so eher konnte er seinen erneuten Widerstand beginnen. Gewiß es würde nicht leicht, aber er war gewillt die Bestie in seinem Inneren so rasch wie möglich erneut wieder niederzukämpfen.

Er war sich nicht sicher, ob es die Schwere seiner Verletzung war, oder die Wirkung des fremden Blutes in sich, die ihm die Entscheidung so einfach machte. Und er wollte, so schwach wie er sich fühlte seinen Kopf nicht zusätzlich mit quälenden Gedanken martern. Seine Heilung so schnell wie möglich voran zu treiben, damit er gestärkt eine neuerliche Konfrontation mit seinem Schicksal bestehen konnte, war sein vorrangigstes Ziel.

Langsam und zögernd zuerst, führte er das Glas mit Lacroix's Spezialerzeugung an seine trockenen Lippen. Widerwillig atmete er das volle Aroma des so lange verschmähten Gemisches ein, das einst seine Haupternährung dargestellt hatte. Es weckte unwillkürlich sein Verlangen.

Vorsichtig netzte er die Zunge um zu kosten: Das salzige, köstliche Elixier reizte seine durch jahrelangen Entzug entwöhnten Geschmacksnerven gefährlich mehr, als er erwartet hatte. Gierig füllte er seinen Mund und schluckte hastig. Weich und geschmeidig strömte der zimmerwarme, menschliche Lebenssaft durch seinen Rachen. Wohlbehagen breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Die lang entbehrte Flüssigkeit stillte all seine unterdrückten Bedürfnisse und tauchte ihn in eine vollkommene Zufriedenheit, wie er sie seit Jahren nicht mehr gekannt hatte.

Aber sie weckte auch gleichermaßen Gelüste, aus längst vergessenen Tagen, die sich einer gewaltigen Woge gleich aus seinem Inneren Bahn brachen. Kaum vom Körper absorbiert, explodierten seine Sinne geradezu vor Belebung und überfluteten ihn mit einer Fülle von Reizen, die in ihm eine Vitalität entfachten, die ihm längst vergessen schien.

Ein einziger Schluck stillte den Hunger nicht, im Gegenteil, er weckte die Gier nach mehr ! Ohne ein einziges mal abzusetzen leerte er den Weinkelch und ließ den Rest der Flasche folgen.

Die "Humanmedizin" zeigte unverzüglich Wirkung auf seine Genesung, aber sie reichte bei weitem nicht aus um Nick vollens auf die Beine zu bringen. Lacroix's Rechnung ging auf. Er würde ihn einen weiteren Tag in seiner Abhängigkeit gefangen halten.


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